Die letzten Tage

Die Woche vom 19. Juni bis 26. Juni 2013

 

"Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht

ändern kann, den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."

 

Masl-tows letzte geführte Wanderung am 19.6.2013.
Masl-tows letzte geführte Wanderung am 19.6.2013.

Es kam alles so überraschend.

In meinen Seminaren über Esel erkläre ich immer wieder, dass Esel still leiden und man sie daher gut kennen muss und noch besser beobachten sollte.

 

Am Mittwoch den 19. Juni 2013 war noch alles vollkommen normal. Sie fraß ihr Heu, ruhte danach aus und freute sich, als ich mit dem Halfter winkte. Ein älteres Ehepaar hatte sich zu einer geführten Wanderung angemeldet und mit Masl-tows Sohn Samuel machten wir eine sehr schöne Tour bei herrlichem Wetter.

 

Nichts, aber auch rein gar nichts ließ darauf schließen, dass sich das Blatt sehr bald wenden würde.

Am Donnerstagabend den 20. Juni 2013 fiel mir auf, dass sie allen anderen Tieren den Vortritt bei der Fütterung gab und als Letzte dazu stieß. Das war ungewöhnlich, denn normaler Weise hatte sie die Hosen an und verstand beim Futter keinen Spaß. Ich registrierte es, doch da am nächsten Morgen bei der Fütterung wieder alles wie gewöhnlich verlief, dachte ich mir nichts dabei.

 

Ich selber war für das kommende Wochenende auf dem 1. Esel und Muli Cup in NRW (ohne eigene Esel, sondern nur als Moderatorin) und mein Mann Gregor würde sich wie gewohnt gewissenhaft um all unsere Tiere in der Zeit kümmern. Mit ihm als Tiersitter fühle ich mich immer noch am wohlsten, wenn ich unserem Hof den Rücken kehren muss.

Wir telefonierten wie gewohnt und ich fragte, ob Masl-tow normal frisst. Seine Antwort war zufriedenstellend. Einzig die Aussage, dass sie am Sonntagabend beim Hufeauslratzen ihr rechtes Hinterbein extrem hoch gezogen hatte, ließ mich stutzten.

Seit letztem Winter hatte sie eine leichte Arthrose in dem Sprunggelenk. Was sie aber nur an kaltfeuchten Tagen quälte. An allen anderen Tagen fegte sie wie gewohnt bei uns herum und wollte bei Wandertouren nicht geschont werden.

 

Doch am Montagmorgen den 24. Juni 2013 eine böse Überraschung. Sie rührte ihr Heu überhaupt nicht an. Sie ging nicht einmal in die Nähe des Futters. Da meine Tierärztin am Nachmittag ohnehin kommen wollte, um die Zähne all unserer Esel auf Vordermann zu bringen, rief ich sie an und erklärte, dass wir Masl-tow zuvor ganz genau durchchecken müssten. Meine Tierärztin verschob einige Termine und kam schon am Mittag und diagnostizierte einen sehr schweren Arthritisschub. Das Gelenk war dick geschwollen und leichtes Fieber machte sich breit. Sie bekam diverse Spritzen und ich machte bis in die Nacht stündlich kühlende Wickel ums Bein. Sie fraß zwar kein Heu, aber die Äste unserer Esche, die ich ihr anbot, mümmelte sie komplett auf.

 

Am Dienstag den 25. Juni 2013 jedoch wieder komplette Futterverweigerung. Das Fieber war zurückgegangen, die Schwellung nur noch kaum spürbar und nicht mehr heiß und ihr Gang im Grunde wieder normal. Meine Tierärztin gab mir noch ein Mittel, welches Magen und Darm anregen sollte. Ich hielt sie von nun an separat, um kontrollieren zu können, wie viel sie frißt und trinkt und vor allem, ob sie auch verdaut. Heu und selbst die Äste wurden verschmäht, doch das Gras, was ich ihr im Garten gerupft hatte wurde angenommen.

Dennoch, wer nichts oder nur wenig frisst, scheidet natürlich auch kaum etwas aus. In der Nacht kontrollierte ich 3x ihre Box. Doch ich fand keine Hinterlassenschaften. Ihr Sohn Samuel stand die ganze Nacht an ihrer Tür Wache und betüdelte Nase an Nase seine Mutter.

 

Am Mittwoch kam meine Tierärztin dann in aller Früh und riet mir nach Lüttich in die Klinik zu fahren, da die Darmgeräusche nun vollkommen eingestellt seien. Sie spritzte noch ein Schmerzmittel und ich machte den Anhänger fertig.

In der Klinik angekommen, gab es sofort das volle Programm:

  • Blutuntersuchung
  • Rektaluntersuchung
  • Magen auspumpen
  • Ultraschal

Man riet mir, nein man bat mich nach Hause zu fahren, da ich vor Ort nicht helfen konnte. Man würde mich anrufen und mich auf dem Laufenden halten, aber die Prognose sei sehr schlecht. Im Blutbild hätte man Hyperlipidämie festgestellt.

Ich war erstaunt, denn so lange hatte sie doch gar nicht nichts gefressen und sie war auch kein dicker Esel. Sie hatte tolle 136 kg bei 98 cm Widerristhöhe in der Klinik auf die Waage gebracht. Wie konnte denn so schnell eine Hyperlipidämie entstehen?

Erschrocken, aber durchaus zuversichtlich, fuhr ich nach Hause und bekam um 18.30 Uhr einen Anruf, dass es Masl-tow stündlich schlechter ginge. Man könnte medikamentös behandeln, oder operieren. Doch sie würden zu eine OP raten, zu der ich sofort zustimmte. Die OP sollte 4 - 5 Stunden dauern und wenn Masl-tow wieder in ihrer Box ist, würde man mich nochmal anrufen und erklären, wie alles verlaufen ist.

Ich war fix und fertig mit den Nerven. Rief meinen Mann zum x ten male an, der als LKW Fahrer von Montag bis Freitag nie Zuhause ist und immer auf heißen Kohlen saß, um Neuigkeiten zu erfahren.

Um 21.45 Uhr klingelte wieder das Telefon. Viel zu früh nach meiner Rechnung und in der Tat. Die Tierärztin erklärte mir, dass es sehr schlecht aussieht. Die Leber sei steinhart und es gäbe Blutungen, die bei der kleinsten Berührung ausgelöst würden. Der Darm sei komplett entzündet und sie würden Masl-tow gerne erlösen.

Ich war während des 20 minütigen Telefonats vollkommen sachlich und gefasst. Musste nicht weinen und gab auch diesmal sofort meine Zustimmung, dass Masl-tow nun eingeschläfert werden soll. Erst als ich auflegte, brach die Welt für mich zusammen. Ich telefonierte mit meinem Mann und schrieb meiner Haustierärztin per eMail das Resultat.

Danach machte ich meine letzte Runde mit dem Hund und ging zu Sohn Samuel. Er mümmelte im Auslauf ein wenig Gras. Ich erklärte ihm, dass seine Mutter gestorben sei und nicht zurückkommen wird. Er hörte auf zu fressen und schmuste sehr ausgiebig mit mir. Danach ging ich zu unserem jüngsten Esel Le Chaim und erklärte es auch ihm. Er schaute vom Mümmeln kurz auf und fraß dann unbeeindruckt weiter. Ich dachte mir, dass er noch zu jung ist, um das zu verstehen und ging wieder ins Haus.

 

Am nächsten Morgen rief um 7.00 Uhr Samuel. Sein Iah war so klagend, dass es mir das Herz brach. Er ist für gewöhnlich ein eher stiller Esel und es war absolut untypisch für ihn sich so früh bemerkbar zu machen. Zwei Minuten später ertönte ein ohrenbetäubendes Iah von Le Chaim. Le Chaim ruft mit seinen 3 Jahren immer noch wie ein Kind. Es ist zwar ein richtiges Iah, was aber vielmehr krächzt. Doch an diesem Morgen wurde das ganze Haus von seiner voluminösen Stimme erschüttert. Sein erstes richtiges Iah in seinem Leben und mir war klar, nun hat auch er verstanden, dass Masl-tow gestorben ist.

 

Meine Tierärztin hatte meine eMail am nächsten Morgen beantwortet:

 

Hallo Judith,


das tut mir sehr leid! Ich habe den Bericht von der Tierärztin in Lüttich erhalten. Sie hat mir noch gestern Abend spät geschrieben. Es war auch wohl eine Riesenblutung im Bereich der Leber. Und bei jeder Berührung kam es zu Einblutungen, was da jetzt die Ursache ist, können sie noch nicht sagen. Sobald ich mehr weiß sage ich dir bescheid, auch wenn es Masl-tow nicht mehr helfen kann, ist es doch wichtig, wenn möglich herauszufinden was das ausgelöst haben kann.

Von meiner Seite gäbe es drei mögliche Ursachen:

Die erste wäre ein Tumor, ein sogenanntes Hämangiosarkom, dazu würde das große blutende Hämatom (Bluterguss) bei der Leber passen, ebenso wie die kleinen Blutungen überall im Magendarmbereich.
Das andere wäre eine Vergiftung z. B. mit Robinie oder akut Jakobskreuzkraut, was aber bei euch ja fast ausgeschlossen ist, es sei denn im Heu.
Das dritte wäre ein schon länger bestehender versteckter Leberschaden, der durch die Schmerzen und das Fieber bei der Sprunggelenksentzündung den letzten Rest bekommen hat. Die Hyperlipidämie ist eigentlich bei Eseln immer eine Begleiterscheinung bei längerer Inappetenz, allerdings sind in schwerer Form eigentlich immer nur Esel betroffen die extrem verfettet waren, was ja bei euch auch nicht zutrifft und kommt als Todesursache sicher nicht in Frage.
Letztendlich hoffe ich, dass die Lütticher mehr herausfinden werden, denn sonst bleibt alles Spekulation.

 

Liebe Grüße ...